Geschichte

2012: Der staubtrockene Kuchen und der Schmäh mit den Omas, der keiner ist

Es war einmal vor langer, langer Zeit, im Jahr 2012 beim Verzehr eines trockenen Stück Kuchen in einem Wiener Kaffeehaus….
Mike Lanner und Moriz Piffl, damals auch bekannt als Sozialunternehmer hinter dem ökofairen Maßjeans Label Gebrüder Stitch, vermissen in dem staubigen Moment die saftige Mehlspeis ihrer Omas vom Land. Und starten gedanklich ein Kaffeehaus für Oma-Vermissende mitten in Wien. Über Nacht und man munkelt ein, zwei Bier später, entsteht der Name Vollpension. Endgültig ins Rollen kommt die Sache dann mit Mikes erfolgreicher Einreichung der Idee beim Social Design-Call der Vienna Design Week. Und wie es bei wunderbaren, kreativen (ok, ja, Eigenlob stinkt, sorry…) Ideen oft ist, scharen sich wunderbare, kreative Menschen zusammen, die das Unmögliche möglich machen: Julia Krenmayr und David Haller gesellen sich dazu und sind bis heute Teil des Kernteams. Schon im September 2012 eröffnet dann für eine Woche die erste Pop-up-Vollpension im damaligen „Hosenlabor“, einer Schneiderei im 6. Wiener Bezirk. Ohne Genehmigungen und vorallem ohne großen Plan, übertrifft die Premiere alle Erwartungen und die Leute stehen Schlange, um etwa ein Stück von Frau Charlottes Eierlikörkuchen zu ergattern.
Die große Nachfrage macht dann weitere Vollpension-Gastspiele im Advent 2012 fast schon notwendig, und um das Projekt auch auf rechtliche Beine zu stellen, gründen wir einen Verein. Schnell wird auch klar, dass die Vollpension nicht nur ein Ort des Miteinander-Essens, -Lachens und Feine-Zeit-Verbringens ist, sondern einen wichtigen sozialpolitischen Charakter hat. Auf eine Jobanzeige in einer großen österreichischen Tageszeitung melden sich immer mehr Senior*innen. Gemeinsam haben sie nicht nur den Spaß am Backen, sondern auch die Suche nach einer Zuverdienstmöglichkeit, da sie oft von ihrer kleinen Pension nur schwer leben konnten, was wir in vielen persönlichen Gesprächen herausfinden müssen.

2013: Clash of Civilizations beim Europäischen Forum Alpbach

Wir sind ganz ausm Häusl als uns 2013 das Europäische Forum Alpbach einlädt, die Teilnehmer*innen der Konferenz in einem aufgelassenen Hallenbad zwei Wochen lang mit Kaffee und Kuchen zu verköstigen.
Die Zeitungen betiteln unser Pop-Up Projekt damals als „Clash of Civilizations“ (Die Presse, 30. 8. 2013) und „Die Alpbach-Saga“ (Wiener Zeitung, 30. 8. 2013). Denn die Vollpension in Alpbach wurde zwar vor allem von den jungen Besucher*innen des Forums mit großer Freude angenommen, stieß aber nicht nur auf Begeisterung. Es kam sogar zu einer Anzeige wegen „illegalem Ausschank einer Scheinorganisation“ (jaja, jetzt schaut´s, wie´s bei uns zugeht…). Am Ende setzt man sich im Rahmen einer öffentlichen Mediation mit allen Beteiligten mitten im Schwimmbecken des Hallenbads an einen Tisch zusammen und redet sich das aus. Schließlich können die Differenzen bereinigt werden– beim Reden kommen die Leute z’samm – nicht nur in der Vollpension und sogar im Schwimmbecken.

"In den vergangenen drei Wochen war bei der Bevölkerung in Alpbach die "Vollpension" und nicht etwa das Forum und seine teils prominenten internationalen Gäste Dorfgespräch. Es gilt eben auch hier: All politics is local"

2014: Oma on Tour und Gründung der Vollpension

2014 steigt die Vollpension dann in einen alten VW-Bus samt Anhänger, der kurzerhand in ein mobiles Kaffeehaus umgebaut wird, und tourt gemeinsam mit der Wien Tourismus quer durch Österreich. Eine wichtige Erfahrung für alle Beteiligten, denn egal wo sich das fahrende Kaffeehaus niederlässt, wird den Omas der Kuchen, kaum hat er den Backofen verlassen, förmlich aus der Hand gerissen. Egal ob es regnet – und das tut´s nicht nur einmal – oder die Sonne scheint, die Omas und ihre Kuchen kommen gut an und das war ein ermutigendes und schönes Gefühl für alle Beteiligten. Mit der Tour bekommt das Team auch jüngeren Zuwachs. Mike und Moriz, die damals mit anderen Projekten bereits vollends eingedeckt sind, suchen nach einem Partner, der den nächsten Schritt gehen würde, nämlich das Pop-up-Projekt zu einem nachhaltigen Gastro-Social-Business zu machen. Und so kommt Hannah Lux als neue Vollpension-Kapitänin mit an Bord. Zu ihr gesellten sich neben Julia und David noch Cornelia Kamleitner. Hannah, Julia, Moriz und Mike gründen eine GmbH und damit die Vollpension wie wir sie jetzt kennen. Die Suche nach einer permanenten Heimat für die Vollpension beginnt.

2015: Vollpension forever: Kuchen, Kitsch und Oma Glücksgefühl

Via Social Media feuert auch die ganze Vollpension Community die Suche nach einem fixen Lokal an und forderten ihr kulinarisches Recht ein: Wir haben schließlich alle Anspruch auf „da Oma ihre Kuchen“! Aber Leute, es sei euch gesagt, so ein Lokal, das eröffnet sich nicht von selber! Wir wollen zeigen, dass unser Konzept der Kaffeehaus-Konkurrenz der Wiener City standhalten kann und, dass Gastronomie und Wirtschaftlichkeit mit dem Faktor Mitmenschlichkeit und Gemeinsamkeit im Zentrum funktionieren kann. Deswegen ist uns wichtig, dass wir unser Social Business wirklich in die Mitte der Stadt bringen.
Nach ca. 50 besichtigten potentiellen Standorten wird die Naivität immer kleiner: das kostet echt anständig Asche so ein Lokal! Unser gesamtes Netzwerk wird angekurbelt, um die notwendige Finanzierung aufzustellen. Schlussendlich finden sich die ersten mutigen Partner*innen, die an die Idee der Vollpension, an uns als Team und, dass die ganze Gaudi auch als dauerhaftes Unternehmen funktionieren kann, glauben. An dieser Stelle wollen wir euch, lieber Sebastian Haselsteiner und liebe Katharina Turnauer, nun auch mal hier im Internetz ein riesengroßes Danke sagen, dass ihr als erste Partner*innen damals mit uns die erste dauerhafte Vollpension ermöglicht habt!

Schließlich werden wir fündig und unterschrieben den Mietvertrag für ein heruntergekommenes Souterrain Lokal in der Schleifmühlgasse. Es folgt ein halbes Jahr Tränen, Schweiß und Umbauwahnsinn, nicht nur einmal kommt ins Baustellenchaos ein Nachbar aus der Gegend und meint “Na, ihr traut´s euch was. Da hat noch nie länger ein Lokal überlebt.” Aber in guter alter Vollpension-Manier geben wir nicht auf. Wenn eine mal die Nerven verliert, packen die anderen an und so wechseln wir uns mit unseren Nervenzusammenbrüchen ab bis wir im Juni 2015 endlich verlautbaren können: „Die Oma kriegt einen permanenten Wohnsitz!“ Geschult an den provisorischen Küchen und Einrichtungen kann die nun sesshafte Vollpension vom Start weg punkten.
In den Jahren die dann kommen entwickeln wir mit all unserer Liebe, Hirnschmalz und gemeinsam mit den unterschiedlichsten Menschen, Partner*innen und unserem Team aus Jung und Alt ein funktionierendes Social Business System für unser Generationencafé.

2019: Wir eröffnen unsere zweite Filiale: Vollpension in der Johannesgasse

Gut Ding braucht Weil´. Nach Jahren des Hinfallens, Aufstehens, nochmal Probierens, Weitermachen, fühlen wir uns bereit den nächsten Wachstumsschritt zu gehen. Dabei fällt, obwohl wir um so viel Erfahrung reicher sind, die Eröffnung unseres zweiten Generationencafés um einiges schwerer als noch 2015. Das mit der Naivität ist nämlich so eine Sache, aus der zwar viel Blödsinn entstehen kann, gleichzeitig kann sie aber Treiberin sein, um ohne viel Angst einfach zu machen. Wenn man weiß, was am Weg alles für Hürden auftauchen können, dauert alles um einiges länger, und so suchen wir knapp 1 Jahr intensiv nach einem passenden zweiten Standort. Als die Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien auf uns zukommt und fragt, ob wir Interesse an einer Kooperation hätten, finden wir nach nur wenigen Gesprächen mit dem Rektorat ein Übereinkommen. Die Vollpension mitten im 1. Bezirk und neben Kuchen, Omas nun auch mit gläsernem Kuchenflügel und dem Thema Musik im Fokus erweitert!

Auf der Suche nach neuen Backomas und -opas für unsere Filiale in 1010 im Sommer 2019, wird uns die soziale Thematik hinter der Vollpension mal wieder in vollem Ausmaß bewusst, als sich innerhalb von ein paar wenigen Tagen über 350 Senior*innen bei uns bewerben. Im Oktober 2019 eröffnen wir mit einem prall gefüllten gläsernen Kuchenflügel inklusive Live-Konzert die Vollpension in der MUK.

Eröffnung der Vollpension in der Johannesgasse im Oktober 2019 in Kooperation mit Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien.

2020: Die Pense muss zusperren – Corona-Pandemie

Im März 2020 bricht die Corona-Pandemie aus und wir müssen beide Standorte vorerst schließen. Für uns bleibt eine große Frage: Wie können wir die Jobs unserer 45 Senior*innen sichern?

Als erste Notfall-Maßnahme trommeln wir befreundete Unternehmer*innen und Kreative zusammen und fragen nach Rat. Aus diesen Runden entstehen die “Oma Innovation Labs”, wo alle Hinrkastln zamgesteckt werden, um nach einer Lösung für die Vollpension zu suchen. Nach mehreren Runden bleiben 2 große Ideen übrig: Crowdfunding und Online-Backkurse. Das spontane Crowdfunding im April bringt unglaubliche €140.000 von Gästen, Freunden und Familie. Es ist mittlerweile bekannt, dass es für arbeitende Pensionist*innen keine Unterstützung vom Staat geben wird. Das Crowdfunding hilft uns über die ersten Monate der Pandemie.

Danach wird geballte Energie in die Entwicklung der Online-Backkurse gesteckt. Auf der Suche nach einer Location stoßen wir auf den ursprünglichen Pop-Up Standort aus 2012 – back to the roots! Kurzerhand wird das Studio gemietet und ein komplettes Filmstudio für Online-Backkurse darin gestaltet. Mit viel Liebe zum Detail produzieren wir drei digitale Back-Masterclass-Kurse mit mehr als 12 Stunden hochwertigen Videoinhalten und einer Streamingplattform in nur 6 Monaten. Am 1. Oktober geht die Vollpension Backademie online und damit die Oma ins Internetz. Parallel starten unsere Online-Livebackkurse im Studio und in den Küchen unserer Omas. In dieser Zeit starten wir auch, Kampagnen und Content für die Vollpension und auch für mehr als 20 Backmarken zu produzieren. Unsere Senior*innen werden zu Senior Influencer*innen.

2021: “Survival through Innovation”

Von der Buchtel-to-Go als Antwort auf Demel’s To-Go-Schmarrn bis zum komplett neuen Gastro-Geschäftsmodell hanteln wir uns von Lockdown zu Lockdown. Die Frage bleibt die gleiche: Wie können wir die Jobs unserer 45 Senior*innen sichern?

Nachdem bereits unsere Senior*innen aus ihren Küchen heraus Online-Backkurse via Zoom gegeben, starten wir einen internationalen Aufruf für Omas auf der ganzen Welt. Mit unserer “Bake Against Poverty” Kampagne haben wir Omas und Opas weltweit dazu eingeladen, sich als Online-Backlehrer*innen zu bewerben. Danach fanden Backkurs aus Neuseeland oder Deutschland in den Küchen unserer Backschüler*innen statt.

 

In der Schleifmühlgasse wurden währenddessen Buchteln im Akkord produziert und von unseren Gästen als Buchteln To Go genossen. Aufgrund des großen Andrangs in der Schleifmühlgasse, gab es dann kurzerhand einen eigenen Buchtel To Go Pop Up auf der Mariahilferstraße.

2022: Weiter mit dem Innovationsmarathon

Im Jänner eröffnen wir aufgrund anhaltenden Erfolgs unseres ersten Buchtel To-Go-Kiosk einen weiteren und zwar in einen ehemaligen Bankomat am Wiener Schwedenplatz. Wo früher die Scheine rauskamen gibt es ab sofort Buchteln und Kaffee-to-Go in der City. Auch unsere Firmenkunden sind wild auf Buchtel. Unsere Antwort: Das Buchtelmobil. Ab sofort kommen Buchteln inklusive Oma im Flight Case zu Events im In- und Ausland.

Für noch mehr Backaction sorgt die Backademie: Im Frühling holen wir die bisherigen Online-Backkurse in die Offline Welt und eröffnen die erste Oma Backschule der Welt. In unserem Backstudio auf der Mahü finden seither Backkurse für die perfekten Buchteln, Wiener Apfelstrudel, Sachertorte und weitere Mehlspeis-Klassiker statt.

Im September gabs ein Jubiläum zu feiern: Die Vollpension wird 10! Wir freuen uns einen Haxen aus. Und sind ein bisserl stolz. Was 2012 als “blöde Idee” und temporäres Pop-Up begann, ist mittlerweile ein bunter Leuchtturm des Generationenmiteinanders und weit mehr als nur ein Kaffeehaus. Echt super, was daraus entstanden ist: zwei Generationencafés, die Vollpension Backademie, das Buchtelmobil, ein Backbuch, eine Designkollektion – und was uns allen sonst noch eingefallen ist. Um das gebührend zu feiern, kehrte die Pense zum 10. Geburtstag an ihren Geburtsort zurück: in unser Vollpension Studio auf der Mahü. Dort hat vor genau zehn Jahren mit dem allerersten Vollpension Pop-Up bei der VIENNA DESIGN WEEK alles begonnen – dort läuteten wir das nächste Jahrzehnt Vollpension ein.

2023: Noch mehr Innovation im Omaversum

Unser Buchtelmobil bereiste 2023 nicht nur Österreich, sondern machte auch Ausflüge nach Kopenhagen, Barcelona und München. Um noch ein bisserl mehr Vollpension zu unseren Firmenkunden zu bekommen, entwerfen wir unser Pop-Up Café. Damit bauen wir eine komplett ausgestattete Vollpension inkl. Oma-Kitsch, Kuchen und Catering an den gewünschten Ort.

Auch in unseren Generationencafés tut sich was: die Johannesgasse bekommt ihren ersten Schanigarten, der im Sommer mit viiiiel Schatten überzeugt. Im Gastgarten in der Schleifmühlgasse läuten wir den Oma Aperitivo ein: Mit Snacks und Drinks wie im Italo-Urlaub, einer Prosecco-Bassena und ganz viel Urlaubsfeeling.

In der Johannesgasse, die endlich wieder die ganze Woche geöffnet hat, starten wir für 10 Wochen ein Gifting Forward Experiment, um etwas mehr Großzügigkeit in unser Leben zu holen.

 

 

Weiterhin wird in unserem Vollpension Studio viel produziert - für uns und für Firmenkunden. Das ganze Jahr begleiten uns die Vollpension Generationentalks, wo Menschen aus verschiedenen Generationen an einem Tisch sitzen und über aktuelle Themen wie Inflation, Muttersein und Liebe & Lust im Alter sprechen.